In den letzten Wochen haben wir zahlreiche Interviews mit Bewohner*innen aus Gröpelingen geführt. Wir wollten wissen, wie verändert sich der Alltag unter Corona, was denken Leute aus Gröpelingen über die Situation und was bedeutet Solidarität in Zeiten von Corona.
Hier das Interview mit Daniel Sokolis. Er arbeitet als Schiffsbauer in einer Werft und ist im Kleingartenverein aktiv.
Solidarisch in Gröpelingen (SiG): Inwiefern hat sich dein Alltag durch Corona verändert?
Daniel Sokolis (D.): Ich bin Schiffsbauer von Beruf und zunächst ging alles seinen normalen Gang, bis die Maßnahmen drastisch erhöht wurden. Zunächst würden die Maßnahmen belächelt, da wir zwangsweise in engen Kontakt mit anderen Mitarbeitern sind, wenn wir auf den Schiffen in engen Räumen arbeiten. Mittlerweile wurde eine Spät- und Nachtschicht eingeführt, damit die Belegschaft besser aufgeteilt ist. Die Umkleideräume, die Hallen und Kantine waren in normalen Zeiten proppenvoll. Wir sind 6500 Mitarbeiter und jetzt knapp 2000 in einer Schicht. Aber der enge Kontakt bleibt weiterhin bestehen, obwohl wir und das war auch vor der Corona Krise so, Staubmasken tragen an Bord.
Mein achtjähriger Sohn ist seitdem Zuhause. Meine Frau ist halbtags beschäftigt, sodass er am Vormittag alleine Zuhause verbleibt. Er ist sehr selbstständig und das ist aus unserer Sicht vertretbar. Nachmittags macht er zusammen mit uns seine von der Schule gestellten Hausaufgaben.Man kann aber trotzdem sagen, dass uns die derzeitige Situation alle sehr belastet.
SiG: Welche Auswirkungen auf Gröpelingen nimmst du wahr?
D.: Was ich wahrnehme ist, dass viele Reibereien wegen Kleinigkeiten entstehen. Auf den Parzellen sind mittlerweile Zustände des gegenseitigen Anschwärzens unter Menschen, die vorgestern noch miteinander gegrillt hatten. Eine sehr angespannte Stimmung. Man kennt hier fast alle und ist bisher eigentlich auch gut miteinander umgegangen.
SiG: Hast du jetzt mehr oder weniger Kontakt zu deinen Nachbar*innen? Was wünscht du dir von deiner Nachbarschaft?
D.: Also mein Freundeskreis ist in ganz Bremen verteilt. Wir kommunizieren über WhatsApp und in Gruppen. Zwei, drei Freunde sehe ich regelmäßig auch persönlich. In meinem Umfeld gibt es derzeit keine Erkrankten.
Ich würde mir wünschen, dass meine Nachbarschaft und auch alle anderen positives aus der Krise ziehen was Konsum und Umgang mit anderen angeht. Dass man nicht alles sofort braucht und dass sie wieder ein Gefühl für Zeit entwickeln, da wir ja derzeit sehr entschleunigt leben und wir viel Zeit haben für andere Dinge.
SiG: Und denkst du es gibt auch langfristig negative Auswirkungen?
D.: Auf jeden Fall. Einige Auswirkungen machen sich erst später bemerkbar. Kleine Läden, Einzelselbstständige und viele Menschen, die gerade von der Kurzarbeit in die Arbeitslosigkeit rutschen. Auch unser Gartenverein leidet darunter, weil wir derzeit keine Gärten verpachten dürfen, aber die Leute Schlange stehen.
SiG: Weiter wie bisher? Was muss sich nach der Krise ändern? Wo siehst du dringend Handlungsbedarf?
D.: Ich würde empfehlen, schnell wieder in die Normalität überzugehen, aber dennoch unsere ältere Bevölkerung zu schützen und es trotzdem möglich machen, dass sie ihre Kinder und Enkel sehen dürfen. Was auch sehr wichtig ist, alle Selbstständigen und Betriebe bis 150 Mann finanziell zu helfen. Nicht mit Krediten, sondern mit Geld, was sie nicht zurückzahlen müssen und dass für dieses Jahr alle Steuern erlassen werden.
SiG: Was heißt für dich solidarisch sein während der Krise?
D.: Solidarisch bedeutet für mich, nicht nur an sich zu denken, sondern dem Nachbarn helfen, für ihn einkaufen oder Botengänge machen. Also für ältere und kranke Menschen. Und dass wieder eine Nachbarschaft entsteht, die man von früher kennt.Also dass insgesamt wieder mehr aufeinander geachtet wird. Kein gegenseitiges Anschwärzen sondern gegenseitige Hilfe, auch außerhalb der Corona Krise.