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Demonstration: Justice for Mohamed!

Am 15. August fand eine Demonstration von mehr als 300 Menschen unter dem Motto „Justice for Mohamed“ statt. Mohamed Idrissi war am 18.06.2020 in Gröpelingen von Polizisten vor seiner Haustüre erschossen worden. Kurze Zeit später hat sich das Bündnis Justice for Mohamed gegründet, das aus der Tochter und Schwägerin des Ermordeten sowie unterschiedlichen Gruppen aus Bremen besteht. Das Bündnis hatte zu der Demonstration aufgerufen, um seine Forderung nach Aufklärung und Gerechtigkeit auf die Straße zu tragen. Ziel der Demo war das Innenressort, dass sich als politisch verantwortliche Behörde bisher in Schweigen hüllt. Vor dem Innenressort wurde ein Foto von Mohamed Idrissi, Blumen und Kerzen als Mahnung und Erinnerung nieder gelegt.

Auch Solidarisch in Gröpelingen ist Teil des Bündnisses. Mehr Infos zu dem Bündnis, den Forderungen und Aktivitäten findet ihr unter: justiceformohamed.org

Hier der Redebeitrag von Solidarisch in Gröpelingen:

Redebeitrag

Am 18. Juni 2020 wurde Mohamed Idrissi von der Polizei in Gröpelingen erschossen. Wir sind zutiefst betroffen und unendlich wütend.

Sein Tod ist kein tragischer Einzelfall. Und es ist auch kein Zufall, dass die tödlichen Schüsse in Gröpelingen gefallen sind. Im ärmsten Stadtteil von Bremen sind Polizeieinsätze und Polizeipräsenz an der Tagesordnung. Die Mehrzahl der Bewohner*innen ist selbst von strukturellem Rassismus betroffen, v.a. junge Leute vor Ort habe zahlreiche Erfahrungen mit racial profiling (rassistischen Polizeikontrollen). Die Polizei ist für die meisten Gröpelinger kein „Freund und Helfer“, sondern ein Faktor der Unsicherheit und Bedrohung. Wir sind uns sicher, dass der Einsatz anders verlaufen wäre, wenn er in Oberneuland oder Schwachhausen stattgefunden hätte. Und wir sind davon überzeugt, dass Mohamed noch lebendig wäre, wenn er weiß gewesen wäre.

In den Augen der Behörden und Medien gilt Gröpelingen als sozialer Brennpunkt oder Problemviertel. Und ja, es gibt viele Probleme in Gröpelingen: Eines der größten ist Armut. Das mittlere Brutto-Einkommen liegt bei 14.000 Euro, viele Nachbar*innen arbeiten in Leiharbeitsfirmen, hangeln sich von einem schlechten Job zum anderen, oder befinden sich in noch prekäreren Selbständigkeiten. Die Arbeitlosigkeit ist so hoch wie in keinem anderen Viertel in Bremen. Das Leben vieler Bewohner*innen wird zudem durch die zermürbenden Einschränkungen und Sonderregulierungen des Aufenthaltsgesetzes beschränkt und bestimmt.

Und natürlich gibt es Konflikte und Probleme im Stadtteil.

Als Lösung der Probleme versucht die Politik seit Jahren den Stadtteil aufzuwerten: mit Imageprojekten wie dem Gröpelinger Marketing, Prestige-Großbauprojekten wie an der Gröpelinger Heerstraße und vor allem auch: mit mehr Polizei und mehr Überwachung.

Anfang des Jahres haben in Gröpelingen die Bauarbeiten für eine der größten Polizeiwachen in Bremen begonnen. Über 140 Polizist*innen sollen in Zunkunft vor Ort arbeiten, damit Einsätze schneller und v.a. „in der Anzahl überlegen“ durchgeführt werden können. Der Beirat und viele andere Akteure in Gröpelingen feiern den Bau. Sie verkaufen und verstehen mehr Polizei als Lösung der Probleme. Gröpelingen ist neben dem Hauptbahnhof zu einem zweiten Modellprojekt der Sicherheitspolitik von Ulrich Mäurer geworden. Im Rahmen der Sicherheitspartnerschaft Gröpelingen arbeiten Polizei, Politik aber auch diverse soziale Organisationen im Stadtteil eng zusammen. Ihr erklärtes Ziel ist es, den Stadtteil sauberer und sicherer zu machen.

Die Frage ist aber: Sicherheit für wen? Und auf Kosten von wem?

Eine der Aktionen im Rahmen des Projektes „sichere und saubere Stadt“ waren im Mai 2019 groß angelegte Razzien in Wohnhäusern. Erklärtes Ziel war es, etwas gegen schlechte Wohnbedingungen zu machen und Vermieter, die von Überbelegung profitieren zur Rechenschaft zu ziehen. Zudem sollte gegen das Müllproblem vorgegangen werden. Im Klartext hieß das: Im Morgengrauen stürmten mehrere dutzend Polizist*innen in Begleitung von Behörden Mitarbeiter*innen in drei Wohnhäuser und zählten und kontrollierten alle Bewohner*innen. Die Straßen wurden großräumig abgesperrt und die Kinder nicht zur Schule gelassen.

Während die Razzien von Medien und Politik als großer Erfolg gefeiert wurden, waren sie für die Bewohner*innen extrem erniedrigend und stigmatisierend. Beteiligt waren an der Aktion u.a. das Sozialamt, Jobcenter, SWB, Bauressort, Polizei, Jugendamt, Stadtreinigung und Beirat. Allein die Zusammensetzung der beteiligten Behörden macht deutlich, dass es bei den Razzien nicht vorwiegend um schlechte Vermieter*innen und schlechte Wohnbedingungen ging. Sondern um die Bewohner*innen selbst.

Mehr Polizei, mehr Überwachung, mehr wirtschaftliche Aufwertung schützt eben nur die Sicherheit von bestimmten Teilen der Gesellschaft. So ist es auch kein Wunder, dass die Bürgerversammlungen auf denen mit Innensenator Mäurer über Sicherheit in Gröpelingen gesprochen und mehr Polizei gefordert wird, vor allem von weißen Deutschen besucht werden.

Anstatt gegen die strukturellen Ursachen der Probleme anzugehen und Menschen zu ermutigen, selbst aktiv zu werden und gemeinsam für Veränderungen einzutreten, werden die Menschen selbst zum Problem gemacht und kontrolliert, überwacht und mit x-fachen Sozialarbeitsprojekten ruhig gestellt.

Wenn wir hier stehen und Gerechtigkeit für Mohamed fordern, dann bedeutet das auch, dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder passiert. Dazu ist es wichtig auf die Straße zu gehen und deutlich zu machen, dass wir nicht schweigen, wenn jemand in unseren Straßen ermordet wird. Aber der Kampf gegen Rassismus, gegen Polizeigewalt und gegen die Ursachen von Armut und schlechten Arbeitsbedingungen gehört zusammen. Und er muss auch und vor allem dort stattfinden, wo die Probleme am größten sind: nämlich in Vierteln wie Gröpelingen, Bremen-Nord, Hemelingen und vielen mehr.

Nur wenn immer mehr Leute beginnen, sich in den Vierteln selbst zu organisieren, um ihre Probleme und Konflikte gemeinsam zu lösen anstatt es dem Staat zu überlassen, um sich gegen Rassismus, Polizeigewalt und schlechte Arbeits- und Lebensbedingungen zu widersetzen, nur dann ist eine solidarische Gesellschaft jenseits von Polizei und Unterdrückung möglich.

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