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„Es ist nicht gut für Menschen, voneinander fern zu bleiben“

Interview mit Amin, 49 Jahre. Er wohnt in Gröpelingen und kommt ursprünglich aus dem Iran.

  1. Die Corona-Krise beeinflusst das Leben der Menschen weltweit aber auch in Deutschland. Kannst du beschreiben, wie sich die Corona Pandemie auf dein persönliches Leben ausgewirkt hat?

Die Corona Krise hat meine notwendigen Vorhanden verzögert. Zum Beispiel bin ich seit Monaten auf der Suche nach einer Wohnung. Aber ich kann seit Corona nichts tun, weil viele Büros und Institutionen geschlossen sind. Bei vielen Behörden wird, wenn überhaupt, nur noch Kontakt über Telefon angeboten. Da ich die deutsche Sprache noch nicht so gut beherrsche, war es mir nicht möglich, durchzukommen. Deshalb haben meine Probleme zugenommen.

  1. Du hast gesagt, du suchst nach einem neuen Zuhause. Wo wohnst du jetzt und wie ist die Situation angesichts der Bedingungen unter Corona

?Vor einigen Monaten hat mein Vermieter den Mietvertrag wegen vermeintlichem Eigenbedarf gekündigt. Ich habe es nicht geschafft, so schnell eine neue Wohnung zu finden. Als ich die Wohnung übergeben musste, wurde ich vom Jobcenter zu einem Hotel geschickt, das vorübergehend für Obdachlose benutzt wird. Schon vor dem Ausbruck von Corona waren die Bedingungen dort sehr schlecht, insbesondere die sanitären Anlagen wie die gemeinsamen Badezimmer- und Toiletten. Sie sind immer schmutzig und nicht hygienisch. Nach dem Ausbruch von Corona wurden keine offensichtlichen Schritte unternommen, um eine Ansteckung zu verhindern, wie z.B. Desinfektion und Einhaltung eines Sicherheitsabstandes. Auch wurden von den zuständigen städtischen Einrichtungen keine Gesundheitsinspektionen druchgeführt. Anscheinend sind wir für niemanden wichtig. Deshalb hängt das Leben von Menschen wie mir stark vom Glück ab. Das heißt, wir selbst haben keine Kontrolle darüber, uns vor einer Ansteckung zu schützen. Deshalb bestimmt das Glück unser Schicksal.

  1. Bezüglich der Gefahren von Corona, fühlst du dich angesichts deines Wohnortes und alltäglichen Lebens in der Stadt sicher?

Tatsächlich lebe ich aus den genannten Gründen in ständiger Angst, und selbst jetzt weiß ich nicht, ob ich infiziert bin. Weil es jederzeit möglich ist. Angesichts der Gefahr von Corona kann man sich schützen, in dem man zuhause bleibt. Dazu müssten wir alle paar Tage genügend Lebensmittel kaufen, um so lange wie möglich Zuhause bleiben zu können. Dies ist für uns aber nicht möglich, da wir in diesem „Hotel“ nicht kochen können und keinen Kühlschrank haben. Deshalb müssen wir ein- oder zweimal am Tag ausgehen um etwas zu essen, wie Döner, Würstchen oder ähnliches. An solchen Orten ist immer viel los, was uns mehr gefährdet. Und wenn wir selbst Corona hätten, gefährden wir andere. Die Regierung sagt, dass die Menschen so lange wie möglich Zuhause bleiben und Abstand halten sollen. Aber wie ist das in der Praxis möglich? Zumindest für mich und die anderen, die in dem „Hotel“ leben und viele andere, die ich jeden Tag sehe, ist die nicht der Fall.

  1. Hast du jemals versucht, diese Probleme beim Jobcenter oder einer zuständigen Behörde zu äußern?

Nein, sie tun nichts für uns. Sie sind sich unserer Situation durchaus bewusst. Sie werden mich vielleicht einfach in eine andere Unterkunft für Obdachlose schicken, die wahrscheinlich noch schlechter ist als hier. Außerdem kann ich mich nicht gut ausdrücken, damit ich die bestehenden Probleme bzw. meine Kritik richtig erklären oder ihre Antworten verstehen kann.

  1. Wie siehst du die Solidarität in der Corona Zeit, die heutzutage oft betont wird. Was bedeutet Solidarität für dich?

Seit Jahren sind Menschen in vielen Gesellschaften immer mehr getrennt. Die Verbreitung des Virus hat viele dazu gebracht, ihre Aufmerksamkeit wieder auf menschliche Werte zu lenken. Zum Beispiel habe ich vor kurzem ein Plakat gesehen, auf dem angeboten wurde, älteren oder kranken Menschen beim Einkauf zu helfen. Das war sehr interessant und hoffnungsvoll für mich. Weil meine Erfahrungen davor mich dazu gebracht haben, zu glauben, hier basiert alles auf Konkurrenz. Das heißt, jede und jeder denkt nur an sich selbst und die Stärkeren gewinnen natürlich. Dieses Angebot und ähnliche Initiativen haben mir gezeigt, dass es Menschen gibt, die eine menschliche Gesellschaft haben wollen. Die Menschheit ist das Fundament des Lebens und sollte das Fundament der Gesellschaft sein. Weil Menschen einander gegenseitig brauchen. In diesem Sinne hat die Corona Pandemie dazu geführt, dass viele die Bedeutung von dem Konzept von Empathie und Solidarität neu verstanden haben, genauso wie für sie klar geworden ist, dass wir die Natur nicht beherrschen dürfen, sondern sie brauchen.

  1. Gilt das von dir erwähnte Solidaritätsbeispiel auch für dich? Oder bist du auf ein ähnliches Angebot gestoßen, das dir in dieser Situation helfen könnte?

Bei dem Unterstützungsangebot, von dem ich erzählt habe, ging es um den Einkauf für kranke und ältere Menschen. Ich kann das für mich selbst tun, und solche Leute haben Priorität. Ich selbst wurde von einem Freund aus meinem Heimatland unterstützt, der mir erlaubte, ein paar Tage in seinem Haus zu wohnen. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht, welche anderen Angebote es gibt, die für Leute wie mich nützlich oder hilfreich sein könnten.

  1. Welche Eigenschaften muss eine Solidaritätsinitiative haben, um für dich oder andere in deiner Situation hilfreich zu sein?

Ein wichtiges Thema in der Solidarität wäre eine Initiative, die die Aufmerksamkeit von Menschen und Politiker*innen auf Orte, wie dieses „Hotel“ und ähnliche Orte lenken, an denen Menschen massenhaft und gemeinsam leben müssen, wie z.B. Flüchtlingslager. Diese Orte und die Menschen, die dort leben müssen, sollten nicht alleine gelassen werden. Regelmäßige Inspektionen sollten durchgeführt werden, um die menschlichen Standards zu sichern.

  1. Möchtest du am Ende dieses Gesprächs noch etwas hinzufügen?

Ich habe nichts Besonderes zu sagen. Ich hoffe, dass wir so schnell wie möglich aus dieser Krise herauskommen, damit die Menschen wieder in die Gesellschaft eintreten können. Es ist zu schwierig, zu Hause zu bleiben. Und es ist nicht gut für Menschen, voneinander fern zu bleiben.

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