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Tabula Rasa schreibt über die Stadtteilgewerkschaft

Wir wurden eingeladen bei der 35. Ausgabe des Infozines von Infamous Youth einen Artikel beizusteuern. Das haben wir gern getan. Infamous Youth ist Teil der Fangemeinde von Werder Bremer in der Ostkurve. Hier gibt es mehr Informationen: https://infamousyouth.org/

Und das ist der Text, der im Zine erschienen ist:

Mit der Stadtteilgewerkschaft die Gesellschaft verändern

Seit 2016 gibt es in Gröpelingen, einem Stadtteil im Westen von Bremen, die Stadtteilgewerkschaft Solidarisch in Gröpelingen. In der Stadtteilgewerkschaft organisieren sich Menschen aus Gröpelingen (aber auch aus anderen Stadtteilen), um sich gemeinsam gegen schlechte Arbeitsbedingungen, Schikanen vom Jobcenter, Mietprobleme, Rassismus etc zur Wehr zu setzen. Darüber hinaus kämpft die Stadtteilgewerkschaft für eine grundlegende Gesellschaftsveränderung.

Viele Bewohner*innen in Gröpelingen sind von Jobcenter-Leistungen oder schlecht bezahlten Jobs abhängig. Sie müssen sich mit den tausenden von Briefen und Schikanen des Jobcenter herumschlagen und bekommen teilweise über Monate ihr Geld nicht ausgezahlt. Aber auch der Lohn in Jobs wie z.B. im Logistikbereich, der Pflege oder Reinigungsfirmen reicht oft nicht aus, um davon zu leben. Das mittlere Jahreseinkommen liegt in Gröpelingen bei gerade mal 14.000 Euro – in Horn, einem Stadtteil im Bremer Osten, sind es fast dreimal so viel. Hinzu kommen die alltäglichen Erfahrungen mit Rassismus und Sexismus und die Abhängigkeit vom Migrationsamt und der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder Duldung.

In der Stadtteilgewerkschaft organisieren wir uns, um gemeinsam für konkrete Verbesserungen kämpfen zu können. Als ersten Schritt haben wir dafür eine Beratung aufgebaut, in der wir unsere Mitglieder im Umgang mit dem Jobcenter, Arbeitgeber*innen, Vermieter*innen, dem Migrationsamt etc. unterstützen. Wenn wir mit der Beratung nicht weiter kommen, bauen wir mit anderen Mitteln Druck auf, um unsere Forderungen durchzusetzen. Zahlt z.B. das Jobcenter bei einem Mitglied die Leistungen nicht und die rechtlichen Verfahren dauern zu lange, rufen wir alle Mitglieder auf, gemeinsam vor das Jobcenter zu kommen, um dort zu demonstrieren. Wir organisieren uns nach dem Prinzip „touch one – touch all“ oder auch „People, Power, Solidarität“ – also als solidarische und kämpferische Basisorganisation, in der wir füreinander einstehen und lernen, dass wir eine Kraft haben, wenn wir viele sind und uns nicht spalten lassen.

Unser Ziel ist es, dass diejenigen, die wegen individueller Probleme zur Stadtteilgewerkschaft kommen und nach Hilfe suchen, verstehen, dass sie selbst Teil der Lösung sind und die kollektive Organisierung ein Werkzeug, um Probleme zu lösen und Veränderungen zu erkämpfen. Neben der Beratung und den konkreten Kämpfen gibt es deshalb regelmäßige Vollversammlungen, auf denen alle Mitglieder zusammen kommen, sich austauschen und nächste Aktionen planen. Damit möglichst viele teilnehmen und sich aktiv einbringen können, werden die Versammlungen auf verschiedenen Sprachen übersetzt und Kinderbetreuung angeboten. All das wird von unterschiedlichen Komitees organisiert, in denen Mitglieder der Stadtteilgewerkschaft aktiv sind. Neben den Vollversammlungen finden zudem regelmäßige Bildungsangebote statt, in denen wir uns mit der Frage beschäftigen, woher unsere Probleme kommen, warum wir das Gesellschaftssystem als Ganzes verändern wollen und wie wir uns eine Veränderung vorstellen. Und nicht zuletzt organisieren wir viele soziale Aktivitäten. Denn um Solidarität aufzubauen und gegenseitige Vorurteile zu überwinden, ist es wichtig, Räume zu schaffen, in denen sich alle kennen lernen und Vertrauen aufbauen, wie z.B. bei der Küche für alle, den offenen Sonntagen, Filmabenden, Straßenfesten etc.

Uns geht es in der Stadtteilgewerkschaft aber nicht nur um konkrete Verbesserungen für einzelne Mitglieder. Unser Ziel ist eine grundlegende Gesellschaftsveränderung. Denn uns ist klar, dass unsere Probleme gemeinsame strukturelle Ursachen haben und es eine Alternative zum Kapitalismus braucht, damit ein gutes Leben für alle möglich wird. Um eine solche Alternative zu erkämpfen, braucht es aus unserer Sicht mehr als nur eine Stadtteilgewerkschaft an einem Ort, aber auch mehr als eine von der Gesellschaft isolierte linke oder linksradikale Szene. Wir denken vielmehr, dass es wichtig ist, eine organisierte Bewegung von unten aufzubauen, die im Alltag derjenigen verankert ist, die von diesem System unterdrückt und ausgebeutet werden. Eine Bewegung, in der sich Menschen kollektiv organisieren und politisch entwickeln können und dadurch eine Macht von unten schaffen, die die Verhältnisse herausfordern kann.

Bis wir dahin kommen, liegt noch ein bisschen Weg vor uns. Wir haben einiges aufzuholen, weil sich die radikale Linken in den letzten 40 Jahren weitgehend aus der Gesellschaft zurück gezogen hat und es wenig Erfahrungen mit revolutionärer Basisarbeit oder dem Aufbau von Basisorganisationen und organisierten Bewegungen gibt. Aber unsere bisherigen Erfahrungen in Gröpelingen zeigen im Kleinen, dass es möglich ist. Die Stadtteilgewerkschaft ist deshalb für uns wie ein kleiner Keim, der uns Hoffnung macht. Was es aber braucht, sind viel mehr linke oder revolutionäre Menschen, die sich für so eine Praxis begeistern und diese mit uns und anderen weiter entwickeln.

People, Power, Solidarität – von unten, nach links !

Stadtteilgewerkschaft – Solidarisch in Gröpelingen

Weitere Infos findet ihr auf der Homepage: www.solidarisch-in-groepelingen.de oder auf Insta, Twitter oder facebook

Vor Kurzem haben wir einen Text veröffentlicht, in dem wir über unser Verständnis von revolutionärer Basisarbeit, organisierten sozialen Bewegungen und unsere aktuelle Praxis schreiben. Ihr findet ihn auf unserer Homepage unter –> Über uns –> wichtige Texte.

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