1 Jahr Vollversammlungen der Stadtteilgewerkschaft Solidarisch in Gröpelingen
Am 28.08. haben wir unsere 9. Vollversammlung innerhalb eines Jahres gefeiert.
Am Sonntag, den 28.08.2022, haben wir ein Jubiläum gefeiert: Seit einem Jahr machen wir als Stadtteilgewerkschaft nun schon unsere Voll-versammlungen! Seit einem Jahr treffen wir uns regelmäßig alle 6 Wochen im Stadtteilladen in Gröpelingen und können sagen, dass wir es geschafft haben, einen Raum zu schaffen, in dem sich Nachbar*innen, Interessierte und Mitglieder informieren, austauschen und beteiligen können.
Neben einer kurzen Vorstellung unserer Organisation und inhaltlichen Debatte über die Aktivitäten von Solidarisch in Gröpelingen gibt es häufig für alle verständliche inhaltliche Inputs zu unterschiedlichen Themen. Diese sollen sich an der Lebensrealität der Mitglieder orientieren; so hatten wir in der Vergangenheit z.B. Inputs zum Umgang mit dem Jobcenter oder zu den Preissteigerungen der letzten Monate. Wir bieten je nach Bedarf Übersetzungen in unterschiedliche Sprachen an. Daneben hat sich aufgrund der Zusammensetzung der Nachbarschaft und der Mitglieder eine ständige für alle hörbare arabische Übersetzung als Standard eingebürgert. Jede Vollversammlung wird mit Musik, Essen und Getränken abgeschlossen, sodass wir uns in entspannter Atmosphäre weiter vernetzen, kennenlernen und miteinander diskutieren können.
Wie immer startete die letzte Vollversammlung mit einer liebevollen Vorbereitung: Wir haben jede Menge Schilder und Transparente aufgehangen, Kaffee und Tee gekocht und Essen aufgetischt. All das, damit unsere Versammlung nicht nur ein Ort ist an dem wir uns alle wohl fühlen, sondern damit die Vollversammlung zu einem mhystischen Ort des Kampfes wird, der sichtbar anders strukturiert ist als der triste kapitalistische Alltag.
Auf dieser neunten Vollversammlung haben wir von unserer Kundgebung gegen die Preissteigerungen berichtet, auf der viele Mitglieder von Solidarisch in Gröpelingen mit Redebeiträgen in Englisch, Türkisch, Arabisch, Kurdisch und Deutsch gesprochen haben. Unterschiedliche Pressevertreter*innen von Funk und Fernsehen waren anwesend und haben wohlwollend und ausführlich über unseren Kampf berichtet. Die Kundgebung haben wir zusammen mit dem Bremer Bündnis gegen Preiserhöhungen organisiert und konnten gemeinsam mit den rund 150 Teilnehmer*innen unsere Wut und unseren Kampfgeist auf lebendige Art und Weise auf die Straße tragen – Ein voller Erfolg!
Nach dieser Phase von Berichten, Input und Meinungsaustausch versammelten wir uns in Kleingruppen von ungefähr 10 Leuten, um uns über die Preiserhöhungen auszutauschen. Die Leute hatten viel zu erzählen und viele Ideen dazu wie wir uns gegen die, durch die hohen Preise verschärfte, Armut im Stadtteil und darüber hinaus wehren können. Daraus resultierte zum einen die Überzeugung weiter gemeinsam zu Kundgebungen auch außerhalb Gröpelingens zu mobilisieren, sowie der konkrete Vorschlag eine Küche für alle (Küfa) im Stadtteilladen einzurichten. Viele sonst weniger aktive Teilnehmer*innen haben sich dafür bereit erklärt diese Küche in die Hand zu nehmen, was für die vielen unter Armut leidenden Menschen in Gröpelingen einen echten Gewinn darstellen wird.
Dieses Mal waren wir 30 Personen und einige Kinder, für die es Betreuung gab. Im Laufe des Jahres hat sich gezeigt, dass wir immer zwischen 25 und 50 Teilnehmer*innen auf den Vollversammlungen sind. Wir sind vorsichtig optimistisch, dass sich im Laufe des nächsten Jahres die Vollversammlung noch weiter vergrößern wird. Das ist für uns als Erfolg zu bewerten, allerdings sehen wir die Ursache für unseren Erfolg nicht nur durch das Bestehen der Vollversammlung selbst, sondern als das Ergebnis unseres Gesamtkonzeptes.
Zielsetzungen, Strategien und Taktiken für eine Gesellschaftsveränderung im Hier und Heute
Unser Ziel ist es von jeher eine neue linke Politik aufzubauen, die mit den autoritären Versuchungen der Vergangenheit bricht und gleichzeitig in der Lage ist zu wachsen und die kapitalistische Vorherrschaft langfristig herauszufordern. Dafür versuchen wir eine überregionale, organisierte Struktur von unten aufzubauen, wir nennen es „populäre Macht“. Teil unserer vorläufigen Strategie dafür ist die Arbeit an einer Basis-Organisation, die ihr unter dem Namen Solidarisch in Gröpelingen (SiG) kennt. Als Ergebnis unserer Erwartungen, Analysen und Erfahrungen haben wir einige Anforderungen an diese Basis-Organisation gestellt: So soll sie verbindlich sein und politische Bildung als einen zentralen Aspekt beinhalten, damit sie wachsen und schlagkräftig werden kann und Mitglieder die Chance haben sich weiter zu entwickeln. Außerdem halten wir eine transparente Organisationsform und basisdemokratische Entscheidungsprozesse für absolut notwendig, wobei sich die Praxis stets nah an den Lebensrealitäten ihrer Basis, also ihren Mitgliedern, orientieren soll.
Um all das zu erreichen haben wir ein Organisationsmodell gewählt, das neben diversen Komitees und Kommissionen im Grundgerüst aus Beratung, Vollversammlung, Aktiventreffen und Entwicklungstreffen besteht. Die Beratung nimmt dabei einen zentralen Aspekt ein: Durch eine professionelle und solidarische rechtliche Beratung zu verschiedenen Themen rund um die soziale Frage haben wir ein Ohr im Stadtteil; wir wissen welche individuellen Kämpfe geführt werden und welche kollektiven Kämpfe am ehesten den Lebensrealitäten unserer Mitglieder entsprechen. Dabei funktionieren wir nach dem Solidaritätsprinzip: Wenn du in der Beratung Hilfe bekommst, dann erwarten wir, dass du bereit bist anderen zu helfen. So gewinnen wir Mitglieder für die Vollversammlungen und Aktionen und erarbeiten uns den Ruf einer kompetenten Organisation, die den Menschen wirklich hilft.
Daneben halten wir niedrigschwellige Organisierungsangebote für entscheidend: Die für alle zugängliche Vollversammlung und das für alle zugängliche Aktiventreffen, das sich um die alltäglichen Herausforderungen der Stadtteilgewerkschaft kümmert, Aktionen plant und koordiniert, erfüllen diesen Zweck einer mehrstufigen niedrigschwelligen Organisierung. Das Entwicklungstreffen, welches die langfristige Gesamtstrategie von Solidarisch in Gröpelingen im Blick behält und mit dem Prozess weiterentwickelt, ist momentan an eine vorherige 6-monatige Mitarbeit und an das Teilen von politischen Grundlagen gebunden. Langfristig und im Hinblick auf eine gewachsene Organisation würde so ein Entwicklungstreffen allerdings gewählt werden müssen.
Die Basisorganisation „Solidarisch in Gröpelingen“ ist ein erster Schritt zur Realisierung der Vision von einer organisierten sozialen Bewegung, bzw. einer organisierten Stadteil-Basisbewegung (OSB). Diese soll überregional arbeiten und aus vielen Stadtteilbasis-Projekten bestehen. Auch für diese organisierte soziale Bewegung gilt die grundlegende Aufgabe zunächst einmal zu lernen, wie eine überregionale, durchlässige und basisdemokratische Organisation im jetzigen Deutschland aussehen und funktionieren kann. Es gilt also auch auf überregionaler Ebene zu erlernen, wie man basisdemokratische Entscheidungsprozesse und politische Bildungen heute und hier organisieren kann.
Zum Abschluss ist es uns noch wichtig zu sagen, dass wir keinen großen, unumstößlichen Plan haben. Wir begreifen uns und alle unsere Schritte und Konzepte als Teil eines Suchprozesses, um neue Praxen und Organisationsformen für eine moderne antikapitalistische und solidarische Bewegung zu entwickeln.
In diesem Sinne hoffen wir, mit diesem Bericht nützliche und aufschlussreiche Einblicke in unsere Arbeit geben zu können.
Von Unten nach Links!